Besucherbefragung in Onlineshops: super Sache oder sinnlos? Do, Mär 5. 2015
Manche Leute verstehen nicht, warum andere Leute es als schwierig empfinden, herauszufinden, was Kunden und potenzielle Kunden von Onlineshops eigentlich a) möchten und b) denken und warum sie c) im Shop handeln, wie sie handeln. Schließlich kann man sie doch fragen. Man integriert dafür einfach an passender Stelle des Onlineshops eine Kundenbefragung und weiß fortan alles, was man über Kunden und potenzielle Kunden wissen muss. Alles. Und so endet erneut ein Märchen mit einem Happyend. Die Hexe heiratet den Frosch und beide leben glücklich in einem prachtvollen Schloss zusammen (3. Etage, Zimmer 4). Wie romantisch. Wie wunder-wunder-wunderschön.
Ganz so einfach, wie wir es im vorigen Absatz dargestellt haben, ist die Sache natürlich nicht. Wir Menschen neigen bisweilen dazu, Dinge in Befragungen für wichtig zu halten, die für unser tatsächliches Handeln gar nicht wichtig sind. Und dann erklären wir vielleicht die Suchfunktion in einem Onlineshop zu einer wichtigen Sache, weil wir gehört haben, dass Suchfunktionen sehr wichtige Sachen sind. Aber wir nutzen sie nicht, weil wir bei einer Produktsuche immer durch die Kategorien und Unterkategorien eines Onlineshops wuseln.
Eventuell würden wir es also gar nicht merken, wenn der Shop gar keine Suchfunktion hat. Und doch haben wir angegeben, dass sie extrem wichtig ist, dass wir ohne sie nicht leben können und sie heiraten möchten. Das kann Website-Betreiber komplett in eine falsche Richtung führen. Sie sehen, Kundenbefragungen können ganz schön tückisch sein. Na, dann lässt man doch besser die Hände von so einem Teufelszeug? So weit würden wir dann auch nicht gehen. Kundenbefragungen in Onlineshops haben durchaus ihren Wert. Man darf ihre Aussagekraft nur nicht überschätzen.
Sinn und Unsinn einer Kundenbefragung
Sinn macht eine Kundenbefragung immer dann, wenn dem Fragenden bewusst bleibt, dass er keine Tatsachen abfragt, sofern es nicht um quantitative Daten geht, sondern Meinungen und/oder Einstellungen. Und es muss ihm bewusst sein, dass das, was der Kunde dann sagt, und das, was er tut, bisweilen zwei verschiedene Dinge sind. Das gilt nicht nur beim Blick auf Einzelkunden, sondern kann auch gelten, wenn viele dasselbe kritisieren. Falls jedoch viele Kunden beispielsweise monieren, dass ein bestimmtes Element X des Onlineshops nicht benutzerfreundlich ist, wird es zumindest wahrscheinlicher, dass die richtigen Änderungen am Element die Conversion-Rate steigern.
Das macht Umfragen dann doch wertvoll. Die Kundenbefragung liefert in solch einem Fall eine interessante Testidee für A/B- oder multivariate Tests. Mit ihnen werden echten Kunden in Echtzeit verschiedene Varianten einer Website präsentiert, um zu sehen, welche Variante die höchste Conversion-Rate ergibt. In unserem Beispiel lautet die Testidee: Teste verschiedene Varianten des Elements X und schau dir an, welche Variante am erfolgreichsten wirkt.
Vielleicht haben manche Kunden ja sogar konkrete Verbesserungsvorschläge, wie man das Element X verändern sollte. Äußern können sie solche Vorschläge, sofern man für die Kundenbefragung Textfelder nutzt, in die TeilnehmerInnen ihre Ideen eintragen können. Gute Vorschläge kann man natürlich sehr gut in Testvarianten umwandeln. Man sollte einen Vorschlag nur nicht allzu schnell für so gut halten, dass man auf jeden Test verzichtet und ihn sofort umsetzt. Merke: Kundenbefragung, die keine quantitativen Daten abfragen, bringen eher keine Wahrheiten. Aber oft gute Ideen.
Was frage ich denn so?
Was können wir verbessern? Wie alt sind Sie? Warum haben Sie nichts gekauft? Warum haben sie etwas gekauft? Haben Sie heute schon etwas vor? Lassen wir die letzte Frage einfach einmal weg, da sie nicht wirklich zur Optimierung einer kommerziellen Website beiträgt. Die anderen und Hunderte Fragen mehr kommen dagegen in Betracht. Julian Kleinknecht, Chief Research Officer des Unternehmens ConversionBoosting, hat mögliche Fragen für eine Kundenbefragung im Praxisguide "Onsite-Befragungen zur Conversion-Optimierung" einmal in die folgenden drei Kategorien gepackt: „Probleme, Feedback und Verbesserungsvorschläge“, „Intentionen und Zielerreichung“ sowie „Weitere Informationen über Besucher“.
Zum Punkt 1 „Probleme, Feedback und Verbesserungsvorschläge“ gehören dann Fragen wie etwa „Was hat Sie von einem Kauf abgehalten?“ oder umgekehrt „Was hat letztlich den Ausschlag für einen Kauf gegeben?“ Fragen aus der Kategorie „Intentionen und Zielerreichung“ liefern bei einer Kundenbefragung eines Onlineshops beispielsweise Hinweise darauf, wie viele Menschen den Onlineshop in erster Linie für einen virtuellen Schaufensterbummel angesteuert haben, wer bereits feste Kaufabsichten hatte und ob die jeweiligen Gruppen sich im Onlineshop gut aufgehoben gefühlt haben. Kategorie 3 („Weitere Informationen über Besucher“) unterscheidet sich völlig von den anderen beiden, weil sie statt psychografische eher demografische Daten abfragt.
Fragen aus allen drei Kategorien können für die Optimierung eines Onlineshops oder einer anderen kommerziellen Website sinnvoll sein. Wichtig ist jedoch, dass man bei einer einzigen Kundenbefragung nicht Fragen aus zu unterschiedlichen Bereichen stellt, ansonsten weiß man von vielem ein bisschen, aber eigentlich dennoch gar nichts. Zusätzlich sollte man generell nicht zu viele Fragen stellen, weil das die Geduld von TeilnehmerInnen überstrapazieren könnte. Und man sollte vielleicht nicht unbedingt bei jeder Frage fordern, dass der Teilnehmer mit einem eigenen Satz in einem Textfeld antwortet, weil der Aufwand für ihn hier im Vergleich zu Fragen mit einer Vorauswahl anklickbarer Antworten hoch ist, was ebenfalls die Geduld von TeilnehmerInnen überstrapazieren könnte.
Und wo frage ich?
Damit die Kundenbefragung im Onlineshop möglichst viele Teilnehmer lockt, ohne dass sie sie von wichtigeren Zielen des Onlineshops (Kaufe bitte!) ablenkt, sollte man den Platz sorgsam wählen, an dem man sie um die Teilnahme an der Umfrage bittet. Keinerlei Ablenkung durch die Umfrage entsteht, wenn sie ganz am Ende nach einem Kauf auf der „Vielen-Dank-Seite“ platziert wird. Allerdings zeigt sich hier, dass ja noch eine Frage sehr wichtig ist: Wen will ich eigentlich fragen? Kaufende Kunden? Nicht kaufende Kunden? Oder alle Besucher?
Lautet die Antwort „nicht kaufende Kunden“, passt die Platzierung auf der „Vielen-Dank-Seite“ natürlich auf keinen Fall. Und wenn man kaufende und NICHT kaufende Besucher befragen möchte, eignet sich die „Vielen-Dank-Seite“ auch nicht wirklich, weil zwar eine Teilgruppe der anvisierten Zielgruppe tatsächlich gefragt wird, eine andere Teilgruppe (Nicht-Käufer) allerdings nicht. Wer nicht nur Käufer fragen möchte, könnte seine Besucherbefragung beispielsweise vor oder nach dem Legen eines Produkts in den Warenkorb platzieren. In diesem Fall erreicht man dann aber nicht diejenigen, die nicht einmal Produkte in den Warenkorb legen. Vielleicht bittet man dann bereits um Teilnahme an der Umfrage, wenn jemand den Onlineshop betritt? Vielleicht. Allerdings ist das Ablenkungsrisiko vergleichsweise hoch. Sie sehen: Die Platzierung entscheidet nicht zuletzt, wen man mit der Besucherbefragung erreicht, und sie hat Einfluss auf die Erfolgschancen der Umfrage.
Lassen Sie das Befragungstool nicht alleine
Befragung realisiert man mit Befragungstools. Gute Befragungen mit vielen guten Ergebnissen realisiert man mit Befragungstools, die man mit anderen Tools wie der Webanalyse koordiniert. Mithilfe des Webanalyse-Tools lassen sich dann antwortende UmfrageteilnehmerInnen in passende Segmente einteilen, beispielsweise in die Segmente Mobile-Nutzer und PC-Nutzer. Man kann Befragungstools auch nicht nur als Vorstufe zum Testing einsetzen, sondern parallel. Dann läuft vielleicht ein A/B Test laufen und das Befragungstool fragt Kunden, die auf Seitenvariante A und solche, die auf Variante B etwas gekauft haben, was den Ausschlag für den jeweiligen Kauf gegeben hat. Die Antworten können – wie die Testergebnisse – dafür sorgen, dass weitere erfolgversprechende Testideen entwickelt werden.
Fassen wir zusammen
Nein, nur Besucher zu fragen, reicht nicht aus, um wichtige Erkenntnisse für die Website-Optimierung zu gewinnen. Aber Besucherbefragungen können als eins von mehreren Instrumenten durchaus vorteilhaft sein. Es kommt einfach a) auf die Ziele an, die man mit dem Einsatz eines Instruments verbindet, und es kommt b) darauf an, dass man diese Ziele nicht zu hoch steckt. Und dann kommt es auch noch auf den gelungenen Mix verschiedener Instrumente an, um den größtmöglichen Erfolg aus dem Einsatz von Optimierungstools herauszuholen. Und jetzt... sind wir fertig. Und Sie... sollten damit beginnen, Ihre Kunden zu befragen.
Über den Autor
Julian Kleinknecht ist Experte für Web-Analyse und Website-Testing. Er lebt in New York, USA. 2013 gründete er ConversionBoosting. Online-Marketer finden bei ConversionBoosting Praxiswissen, Vorträge, Tools und Trainings für mehr Erfolg bei der Conversion-Optimierung. http://conversionboosting.com
E-Mail: : jk@conversionboosting.com
Xing: https://www.xing.com/profile/Julian_Kleinknecht
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